Flüchtlingshilfe – ein Selbstversuch Band 2 (2016/17)


In diesem Band geht es um Teilhabe, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (Mobilität, Bildung, Kultur, Sport) in Deutschland, speziell in Berlin und es geht um Asylverfahren und die daraus entstehenden Schicksale und Konsequenzen. Im Mittelpunkt stehen 2 Familien, deren Asylantrag unterschiedlich entschieden wurde.

Leseprobe:

11.1.17
BAMF-Bescheid. Der Asylantrag wird in allen Punkten abgelehnt. Ein Schock. Ich verstehe nichts mehr. Da sind diese jungen Menschen, sie könnten ein Gewinn sein für Deutschland – und nun das. Allerdings habe ich das Protokoll nicht gelesen und kenne die Geschichte nicht.

Am Abend kommen die großen Kinder mit Papa zu uns. Ich lese das 25-seitige Papier. 1997 ist die Familie aus Afghanistan in den Iran geflohen, viele Familienmitglieder sind damals von den Taliban ermordet worden. Ihr Bemühen, die iranische Staatsbürgerschaft zu erringen, wurde abgelehnt.
 In den letzten Jahren wurden vor allem die Kinder als Afghanen diskriminiert und Repressalien unterschiedlicher Art ausgesetzt, aber auch die Frau. Ihr Leben war nicht mehr sicher, sie meldeten verschiedene Delikte der dortigen Polizei, die diverse Anzeigen jedoch nicht verfolgte. Nein, es geht nicht aus dem Protokoll hervor, dass ihr Leben direkt bedroht gewesen ist und irgendwie kann ich diese ablehnende Entscheidung auch verstehen. Humanitär fraglich aber ist, dass die Familie nach Afghanistan abgeschoben werden soll, wo sie seit nahezu 20 Jahren gar nicht mehr lebt, die Kinder nie lebten. Wo sollen sie denn da hin? Ich habe gelesen, dass sie in solchem Fall wieder in ein Lager kommen. Was muss das für ein Leben sein? Lebenslang geduldet oder irgendwie auf der Flucht. Die beiden Großen werden am 17.6. volljährig. Werden sie dann gesondert vom LAF behandelt? Sie beginnen am 10.2. ihre Ausbildung an einem OSZ. Genießen sie dann Abschiebeschutz? Ich habe keine Ahnung. Mein Herz ist ganz ganz ganz traurig und wird es auch bleiben.
Dennoch geben sie nicht auf. Es ist erstaunlich. Die Mama will unbedingt weiter lernen. Wir haben es geschafft, dass sie ihren Namen schreiben kann, also Schriftstücke in Zukunft unterschreiben kann. Ich sehe so eine Freude in ihren Augen! Die Zwillinge sind beide am OSZ angenommen, Baset geht weiter auf eine IGS. Alle sind sie die Besten in ihrer Klasse. Baset spielt weiter Volleyball auf Bundesligaebene. Ich bin gerne bei ihnen. Man kann sich schon so gut unterhalten. Den weiten Weg nehme ich gern auf mich.

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